Pakete zurückschicken: Das Drama unserer Online-Retouren

Pakete zurückschicken. Wir alle kennen das Spiel: Wir bestellen uns ganz gechillt ein neues Kleidungsstück von zu Hause aus, probieren es vor dem Spiegel an … und schicken es wieder zurück – weil es kostet ja nichts. Oder wir bestellen uns gleich einmal schnell dasselbe Kleid in fünf verschiedenen Größen, behalten eines davon und schicken die anderen retour. Das dieses Zurückschicken, auch bekannt als Retourenmanagement alles andere als Nachhaltig ist, wissen nur die wenigsten. Was mit unseren Retouren genau passiert ebenso.

Ein unschuldiger Klick

Es beginnt mit einem unschuldigen Klick, während draußen ein Sturm tobt oder die Sonne scheint und man einfach keine Lust hat, einkaufen zu gehen. Zwischen den Selfies und Katzenbildern tauchen Anzeigen auf, die so treffend sind, dass es schon fast unheimlich ist.

– „Hey, du! Brauchst du nicht noch eine Jacke für deine Fahrradtouren?“
– „Hmm, eigentlich nicht.“
– „Aber was ist mit Schuhen?“

Und zack, schon sind neue Schuhe bestellt – und das gleich in mehreren Größen und Farben, weil man sich ja nie sicher sein kann, wie diese geschnitten sind, oder welche Farbe genau zu einem passt. Und wenn einem alles zusammen einfach nicht mehr gefällt? Kein Problem, man kann es ja kostenlos zurückschicken.

Aber mal im Ernst, wo landen eigentlich all diese zurückgesendeten Pakete?

Der Onlinehandel boomt

Der Onlinehandel boomt, und mit ihm die Retouren. Immer mehr Menschen kaufen online und das nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie.  Im Jahr 2023 gaben drei Viertel (75 Prozent) der 16- bis 74-Jährigen in der EU an, bereits Erfahrungen mit Online-Einkäufen gemacht zu haben. Besonders beliebt waren Online-Käufe in Ländern wie den Niederlanden (95 Prozent), Dänemark (94 Prozent) und Schweden (91 Prozent), während Deutschland mit 82 Prozent den achten Platz im EU-Ranking belegte.

Auch in Osteuropa ist ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Zum Beispiel gaben in Tschechien 84 Prozent der 16- bis 74-Jährigen an, online einzukaufen, in der Slowakei waren es 81 Prozent. In Estland lag die Rate der Online-Käufer bei 80 Prozent und in Ungarn bei 79 Prozent.

Kleidungsstücke besonders gefragt

Im EU-Durchschnitt bestellten 70 Prozent der Internetnutzer*innen und -nutzer in den letzten drei Monaten online Kleidungsstücke. Auch in Deutschland gehörte diese Produktkategorie 2023 zu den am meisten gekauften Onlineartikeln (74 Prozent).

Darüber hinaus nutzte mehr als ein Drittel der User in der gesamten EU (34 Prozent) Online-Shopping für Filme oder abonnierte Streaming-Dienste. Auch die Nutzung von Lieferdiensten für Essen war weit verbreitet (30 Prozent). Ebenfalls beliebt waren Kosmetik-, Schönheits- und Wellnessprodukte (28 Prozent).

Pakete zurückschicken: Onlinehandel und Mode

Im globalen E-Commerce-Markt für Mode betrug der Umsatz im Jahr 2022 etwa 816 Milliarden Euro. Es wird erwartet, dass dieser Umsatz in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen wird und bis 2027 auf über 1,4 Billionen Euro anwachsen wird.

In Deutschland entfiel im vergangenen Jahr mit einem Anteil von 23,6 Prozent rund ein Viertel des gesamten Online-Umsatzes auf die Mode- und Accessoires-Branche. Der Online-Umsatz in der Mode- und Accessoires-Branche in Deutschland belief sich im Jahr 2022 auf rund 20 Milliarden Euro. Laut Heise, soll in nur zehn Jahren die Hälfte der Mode schon Online gekauft werden. Wobei sich der stationäre Handel natürlich verkleinern wird.

Pakete zurückschicken als Bestellimpuls

Online bestellt wird vor allem aufgrund der Bequemlichkeit. Aber auch, weil das Retourenmanagement so wunderbar einfach funktioniert. Gemäß einer Umfrage von Nuggets, einem Meinungsforschungsinstitut, geben fast zwei Drittel der Kunden unter 30 Jahren an, Kleidung und Schuhe mit der Absicht zu bestellen, zumindest einen Teil davon zurückzuschicken. Würden sie dies auch tun, wenn sie wüssten, was mit ihren Rücksendungen passiert?

Die Entsorgung von Retouren als Geschäftsmodell

Anders als viele denken, werden Retouren nämlich oft nicht wieder verpackt und erneut verkauft, sondern landen direkt im Müll. Laut einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie des Marktforschungsunternehmens EHI Retail Institute geben mehr als die Hälfte der befragten Onlinehändler an, einen Teil ihrer Retouren direkt zu entsorgen.

Dies hat wirtschaftlich nachvollziehbare Gründe: Das Prüfen und Neupacken ist arbeitsintensiv und oft nicht rentabel. Greenpeace schätzt, dass bei Textilien 10 bis 20 Prozent und bei Elektroartikel 4 bis 10 Prozent der Rücksendungen entsorgt werden. Das ist nicht wenig: Im Jahr 2020 sind demzufolge 1,31 Millionen Pakete mit Textilien und rund 120.000 Pakete mit Elektroartikel vernichtet worden.

Das Ausmaß der Vernichtung hochwertiger Waren in Deutschland wird besonders deutlich bei dem Versandgiganten Amazon: Laut Recherchen des ZDF und der Wirtschaftswoche landen an deutschen Standorten rund 30 Prozent der Retouren nicht mehr im Verkauf. Eine Mitarbeiterin schätzt den täglichen Wert der von ihr allein zerstörten Waren auf bis zu 23.000 Euro.

Pakete zurückschicken: ein Fazit

Allein schon die Zerstörung von einwandfrei brauchbaren Produkten ist total absurd. Es wird jedoch noch um einiges verrückter, wenn man bedenkt, woher diese Produkte stammen. Amazon-Produkte und auch die Kleidung großer Modeketten werden größtenteils in Asien mit einem enormen Einsatz von Ressourcen hergestellt, um dann um die halbe Welt transportiert, verpackt und an die Kunden verschickt zu werden. Nur um dann teilweise ungenutzt weggeworfen zu werden? Das kann einfach nicht sein. Und doch laufen die Dinge genau so ab.

Wie der Irrsinn der Kleidungsindustrie literarisch verarbeitet wurde, ist hier nachzulesen!


Titelbild © boah.at via leonardo.ai