Gigi D’Agostino: Techno-Klassiker für Parolen missbraucht

Song von Gigi D’Agostino für rechte Parolen missbraucht. Auf dem Foto sieht man Hände, die auf DJ-Equipment spielen.

Gigi D’Agostino hat mit seinem zeitlosen Techno-Klassiker „L’amour Toujours“ einen Hit produziert, der bis heute in zahlreichen Playlists rauf und runter gespielt wird. Mit der Partyhymne konnte der Producer Anfang der 2000er-Jahre einen Mega Hit verzeichnen. Doch nun wird der Song, in dem es eigentlich um die Liebe geht, für Hass missbraucht. Angefangen hat es mit einem viralen Video, aus dem sich mittlerweile ein ekliger Trend für einen rechtsradikalen Code entwickelt hat.

Einstiger Megahit für politische Zwecke eingesetzt

Im Jahr 2001 brach Gigi D’Agostino mit seiner elektronischen Ballade alle Rekorde. Über 750.000 Exemplare fanden ihren Weg in die Hände von Techno-Liebhabern. Im digitalen Zeitalter generierte der Song dann 468 Millionen Klicks auf YouTube und wurde auf Spotify bis jetzt 417 Millionen Mal geklickt. Tendenz steigend. Zwei Jahrzehnte nach seiner Geburt sorgt das Lied aber für eine Kontroverse im deutschsprachigen Raum. Denn der hymnische Track wird von Rechtsradikalen okkupiert.

In den schattenhaften Ecken der sozialen Netzwerke hat sich daraus ein Trend entwickelt, der das einst unschuldige Lied in ein bedrohliches Gewand hüllt. Denn auf der Melodie, die einst von Liebe und Sehnsucht erfüllt war, erklingt nun der düstere Chor einer fremdenfeindlichen Parole: „Deutschland, den Deutschen, Ausländer raus“. Ein schauriger Schlachtruf, der einst die Neonazi-Szene der wilden 1980er-Jahre durchdrang.

Jetzt meiden viele den Song, da er in Verbindung mit menschenfeindlichen Tendenzen gerückt wird. Doch nicht alle wollen das schweigend hinnehmen. Das Lied wird auch immer öfter in Linken Kreisen gespielt. Man versucht damit, den Song „zurück“ zu erobern.

Gigi D’Agostino: Song wird als Code eingesetzt

Die traurige Geschichte begann auf einem unbedeutenden Dorffest in einer Gemeinde mit dem Namen Bergholz in Mecklenburg-Vorpommern. Wie der NDR berichtet, wurden mehrere Besucher des Festes dabei gefilmt, wie sie zu dem bekannten Hit von Gigi D’Agostino fremdenfeindliche Parolen grölten. Das war die unrühmliche Geburtsstunde von etwas, das darauf zu einem Code der rechtsradikalen deutschsprachigen Szene werden sollte.

 

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Das Video mit den Parolen verbreitete sich in den sozialen Medien rasend schnell. Die Causa schlägt zudem hohen Wellen, da mehrere Zeugen angeben, den Sohn des Bürgermeisters der Gemeinde mitten im Mob beim Grölen der ausländerfeindlichen Parolen beobachtet zu haben.

Von diesem traurigen Video ausgehend entwickelte sich ein Trend, der mittlerweile als Code für die rechtsradikale Szene dient. Dabei ist den Akteuren jedes Mittel recht, um Botschaften aneinander oder an die Medien auszusenden. So wird der Song von Gigi D’Agostino mittlerweile auch ohne die Parolen mit einem Augenzwinkern innerhalb der Szene verbreitet. Einschlägige Accounts teilen aber ebenso zahlreiche Videos, bei denen Menschenmengen die ausländerfeindlichen Parolen aus dem Originalvideo mitgrölen.

Harmloser Song, ideal für Propaganda-Zwecke

An diesem Fall zeigt sich exemplarisch, wie die Szene ihre Codes generiert. Denn nachdem sich der Zusammenhang zwischen den menschenfeindlichen Parolen und dem Song viral verbreitet hat, funktioniert der Song auch ohne Parolen als Erkennungszeichen. So findet man mittlerweile im Netz etliche Videos, bei denen radikale Rechte, während sie in die Kamera sprechen, den Song „zufälligerweise“ im Hintergrund abspielen.

 

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So wie der Shooting-Star der radikalen Rechten, Martin Sellner, als er ankündigte, trotz Verbot nach Deutschland einreisen zu wollen. Denn der Hit von Gigi D’Agostino hat alles, was die Szene als Katalysator benötigt. Die Melodie ist einfach, sodass man nicht gerade ein großes Geschick benötigt, um die Silben der Parole aufzuteilen und irgendwie auf den Beat zu bringen. Da kann man noch so unmusikalisch sein oder lallen.

Die neue Rechte versucht cool und ironisch rüberzukommen

Die Neue Rechte setzt auf eine einfache, aber ebenso effektive Strategie, um ihre Ideologie unauffällig in das Gewebe der Gesellschaft einzuarbeiten. Dabei kann schon seit den 2000er-Jahren ein Paradigmenwechsel beobachtet werden. Denn im Gegensatz zu den brachial auftretenden Neonazis der 1980er- und 1990er-Jahre versucht die neue Rechte cool, hip und ironisch rüberzukommen. Man hat Abstand genommen zur „Schädel Einschlagen“-Methode der Vergangenheit. Ideologisch sind die Forderungen und die Absicht hinter der Agitation aber noch immer dieselben.

Ihre Taktik zielt darauf ab, durch Publikationen, subtile Bildungsarbeit und scheinbar harmlose Öffentlichkeitsarbeit die Grenzen des Möglichen nach rechts zu verschieben. Man gibt sich dabei auf, witzig und ironisch. Gruppierungen wie die Identitäre Bewegung sehen sich als Vorreiter einer „patriotischen Revolution“. Sie infiltrieren die Gesellschaft jenseits von Parlamenten und Parteien. Die Annahme lautet, dass erst, wenn die Gesellschaft ausreichend „bearbeitet“ und somit für extrem rechtes Gedanken zugänglich ist, eine Revolution erfolgreich sein kann. Hier sieht man sich als Fußsoldaten für den rechten „Kulturkampf“.

Für Akteure der neuen Rechte ist ein Video wie das von dem Dorffest ideales Kanonenfutter. Denn dadurch erscheinen Veränderungen wie harmlose Tabubrüche. Alles schön, ironisch und harmlos. Aus dem Scherz soll aber mit der Zeit bittere Realität werden und je schneller sich die Gesellschaft daran gewöhnt, desto besser für Rechtsradikale. Und dafür ist ihnen jedes Mittel recht, auch ein Song, indem es eigentlich um Liebe geht, wie jener von Gigi D’Agostino.


Titelbildcredits: Pixabay