Die irische Autorin Naoise Dolan hat schon mit ihrem Debüt Roman für Aufsehen gesorgt. Unlängst ist ihr neuester Roman Das glückliche Paar in deutscher Übersetzung erschienen. Wir haben es für euch gelesen und liefern auch prompt unsere Eindrücke ab.
Naoise Dolan – das Leben in Literatur verwandeln
Das Leben von Naoise Dolan liest sich wie die Biografie einer Vorzeigeautorin, die es – virtuos wie Édouard Louis – geschafft hat, das Trauma einer homophoben Schulzeit, aber auch weitere persönliche Erfahrungen in Literatur zu verwandeln.
Aus ihrer eigenen Unterdrückung gelernt, akzeptiert die Autorin die Grauzonen menschlicher Identität, ohne viel gekünsteltes Aufsehen daraus zu machen. Geschickt verwebt sie autobiografische Erlebnisse in spannende und vor allem auch unterhaltsame Literatur ohne dabei der gefürchteten, vulgären Popularität zu verfallen.
Naoise Dolan: exciting times und das glückliche Paar
In ihrem gefeierten Debüt-Roman Exciting Times geht es um die 22-jährigen Dublinerin Ava, die Englischunterricht in Hongkong gibt, sowie mit ihren Beziehungen zu Julian, einem Oxford-ausgebildeten Banker, und Edith, einer Unternehmensanwältin aus einer wohlhabenden Familie in Hongkong zu kämpfen hat. Besessenheit und Eifersucht, Liebe, Kapitalismus, Gender, Sex und Internet verschmelzen dabei in eine erfrischend ironische Geschichte.
Gut zu wissen: Nach ihrem Universitätsabschluss konnte Dolan keine Arbeit finden, weshalb sie zuerst nach Singapur und später dann nach Hongkong, aber auch nach Italien zog, um sich als TEFL-Lehrerin durchzuschlagen. Nur als Beispiel, wie sehr hier die eigene Biografie und die Kunst zusammenspielen und in einander übergehen und sich verwischen. Naoise Dolan bezeichnet sich selbst auch als queer, was auch immer ein wichtiges Thema ihrer Bücher ist.
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Naoise Dolan: Queerness als Status Quo
Warum Naoise so gut ist, liegt vor allem daran, dass sie sich von vielen Autor*innen, die ihre persönlichen Erfahrungen in ihren Büchern zum Thema machen unterscheidet, und zwar in einem ganz bestimmten Punkt: Sie tritt diese Erlebnisse nicht unnötig breit.
Als queere Person wäre es zu erwarten gewesen, dass Dolan diesbezüglich ein „riesen Fass aufmacht“ und seitenweise (ob plump oder sensibel) die Gendertheorien von Judith Butler bis Donna Haraway herunter exerziert. Und dann noch eine kluge Figur einbaut, die uns die Heteronormative Matrix erklärt. Das alles bleibt uns bei Dolan erspart, sodass sie sich auf das Wesentliche konzentriert und das ist nicht Sex oder Gender, sondern die zwischenmenschlichen Dynamiken ihrer Figuren, die fein seziert herausgearbeitet werden.
Das glückliche Paar
Queerness ist bei Dolan nicht etwas, dass unterstrichen und heraus leuchten muss, sondern es ist vor allem eines: normal – so seltsam sich das jetzt auch anhören mag. Die Figuren in ihrem neuen Roman Das glückliche Paar sind alle queer und hatten auch sexuell viel miteinander zu tun. Der (geplante) Trauzeuge des Bräutigams ist zugleich sein Ex-Freund und indischer Abstammung. Die Ex-Freundin der Braut taucht plötzlich beim Hochzeitessen auf und sorgt für zusätzliches Chaos – aber nicht, weil sie eine Frau ist, sondern weil sie, sie ist!
Aufgrund der Sexualität macht in Das glückliche Paar niemand „ein Fass auf“ – wenn wir diesen Begriff schon einmal verwendet haben – sondern, es ist einfach so. Das Queere ist bei Dolan keine Triebfeder der Geschichte, sondern einfach eine Tatsache. Und das ist wunderbar erfrischend, weil sie herzergreifend veranschaulicht, dass wir alle einfach nur Menschen sind. Klar, wir sind alle irgendwie kaputt und haben mehr als nur einen Sprung in der Schüssel. Aber so what!?
Naoise Dolan: Das glückliche Paar
Und worum geht es nun? Celine und Luke wollen heiraten und steuern 300 Seiten lang genau darauf zu. Dass die Dinge dabei nicht so einfach sind – vor allem nicht die Hochzeit –, sollte jedem spätestens seit der Rom-Com-Bewegung der 1990er Jahre klar sein.
Doch geht es gar nicht so sehr um diese Hochzeit, genauso wenig wie es um die Queerness aller Figuren geht. Dolan nutzt all diese Rahmenbedingungen geschickt, um ein Sittenbild ihrer Generation zu entwerfen, wobei sie ihre Figuren nicht leiden lässt wie ein Houellebecq und diese durch die Hölle schickt.
Das glückliche Paar: ein Fazit
Dolan empfindet genug Einfühlsamkeit, um auch noch dem allergrößten Arschloch in Das glückliche Paar immer noch genug Liebe anheimfallen zu lassen, um zu erkennen, wie schon gesagt, dass jede*r von uns seinen ganz eigenen Sprung in der Schüssel hat. Und dass man am besten dran ist, das auch genauso zu akzeptieren. Die Partner*innen ändern und versuchen zu etwas Besseren zu bekehren (was natürlich immer nur eine Projektion des eigenen Traumas ist), verkommt bei Dolan zu etwas ewig gestrigem.
Das glückliche Paar ist trotz seiner Beschwingtheit ein extrem feinfühliges Buch, das gekonnt mit den zwischenmenschlichen Untertönen der Paar-Beziehungen spielt, dabei aber die wichtigen Themen auf kleinste Bemerkungen komprimiert, um dadurch genug Raum zu finden, für alles, was unsere Generation gerade so zu belasten scheint. Vortrefflicher und treffsicherer wird der Zeitgeist vermutlich selten so beschrieben als von Naoise Dolan in ihrem Roman Das glückliche Paar.
Titelbild © Marc A. Sporys via Unsplash (Zugriff 07.03.2024)