Stefan Feinigs neues Buch MADE IN CHINA zeigt eine düstere Realität

Stefan Feinig MADE IN CHINA

Schon mal an die Menschen gedacht, die für unsere Produkte täglich verrecken? Der Autor und Publizist Stefan Feinig betritt mit seinem 6. Buch MADE IN CHINA wieder einmal die Welt der Prosa und Lyrik. Und präsentiert dabei herrliche Konsumkritik. In seinem neuesten Werk wirft er einen eindringlichen Blick auf die oft unsichtbaren Menschen hinter den Produkten, die unseren Alltag dominieren. Die grausame Realität der Produktionslogik spielt dabei eine ebenso bedeutende Rolle wie die eindringliche introspektive Darstellung der Menschen, die unter diesen grausamen Bedingungen leben müssen.

Mit prägnanten Formulierungen und einem charakteristischen Stil nimmt Feinig uns mit auf eine Reise, die uns einlädt, über unsere erschreckende Normalität nachzudenken. Denn in einer Gesellschaft, die mit brachialer Gewohnheit ihre eigenen Kinder frisst, verliert man schon mal den Blick für das Menschsein. Mit feiner Klinge seziert er Verhältnisse, die wir für unumgänglich erachten. Und erinnert uns an ihre realen Auswirkungen, so wie wenn Arbeiter*innen für den coolen Used-Look unserer Jeans elendig verrecken.

Ab in die Fabrik

Stefan Feinig nimmt uns in MADE IN CHINA mit auf eine Reise in die entfremdete Welt der globalen Produktion, wo Stofftiere und Jeans nicht einfach nur Waren sind, sondern das Ergebnis von menschlicher Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen.

Seine Erzählung beginnt mit einer introspektiven Betrachtung über die Herstellung eines Stofftiers in einem asiatischen Industriegebiet, wo Menschen ihre Arbeit verrichten, ohne dass ihre Geschichten jemals gehört werden. Der Autor fordert uns auf, uns bewusst zu machen, dass hinter vielen Produkten ein Mensch steht, der gelitten hat, um es herzustellen.

Der Titel MADE IN CHINA mag auf den ersten Blick auf die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in China hinweisen, aber das Buch geht über diese geografische Grenze hinaus. Es beleuchtet ein globales Phänomen, das unsere Gesellschaft durchdringt: die Entfremdung von den Menschen, die die Produkte herstellen, die wir achtlos konsumieren.

Es geht um Menschlichkeit

Der Autor betreibt dabei keine langweilige theoretische Annäherung an Konsumkritik. Nein, er gibt uns einen schmerzlichen Einblick in den Alltag derer, die täglich für unseren Konsum leiden. Denn wir tauchen leibhaftig in die Lebensrealität der Vergessenen ein. Durch eine eindringliche Darstellung von Charakteren wie Wu, einem anonymen Arbeiter, der unaufhörlich unter den Folgen seiner Arbeit leidet, konfrontiert uns der Autor mit dem schwächsten Glied der Produktionskette: dem Menschen!Das Foto zeigt das Cover von Stefan Feinigs neuem Buch „MADE IN CHINA“. Das Cover ist dabei in einer Jeans Optik gestaltet.

Das Buchcover passend in Jeansoptik

Durch unseren täglichen Konsum sind wir mit Menschen wie Wu durch ein unsichtbares Band verbunden. Die scheinbar endlosen Schmerzen und die sehnsüchtige Erwartung seines Todes zeigen die Grausamkeit einer Welt, in der das menschliche Leben für den Konsum geopfert wird.

MADE IN CHINA ist kein Buch über China, sondern über die verlorene Menschlichkeit in einer globalisierten Welt, in der die Wertschätzung für das Leben hinter den Produkten verloren geht. Es ist ein Aufruf zur Empathie und zur Anerkennung der Menschen, die am Ende der Produktionslinie stehen und denen oft das Recht auf ein Leben in Würde verwehrt bleibt.

MADE IN CHINA – Die Introspektive einer düsteren Realität

In „MADE IN CHINA“ tauchen wir immer tiefer in die düstere Realität der Arbeitenden ein. Die am Ende ihrer Kräfte und oft bereits viel zu jung auch am Ende ihres Lebens stehen. Für den Einstieg zeigt uns der Autor dafür eine exemplarische Wechselwirkung seiner tragischen Figuren.

„Wer früher stirbt, ist länger Tod“

Wir lernen Wu kennen. Einem Arbeiter, der durch den Kampf mit einer Krankheit, resultierend aus seinen Arbeitsbedingungen, eher dem Tod als dem Leben näher steht. Doch noch lebt er. Ist der Tod in solch einer Situation Erlösung oder bloß ein notwendiges Übel?

Das sind alles Fragen, die sich Wus Kollege Han stellt, während er versucht, einem düsteren kollektiven Beschluss Folge zu leisten. Die menschliche Reflexion über Leben, Tod und den Wunsch nach Erlösung bringt die Zwiespältigkeit und die Tragik der Situation zum Ausdruck.

Die innere Zerrissenheit und die Unfähigkeit, den Entschluss umzusetzen, führen zu einem endlosen Zögern und Zaudern. Han wird konfrontiert mit der erschütternden Realität, dass er selbst nicht mehr als ein Mensch ist, der versucht, das Unvermeidliche zu verzögern. Stefan Feinig gelingt in MADE IN CHINA eine feine Symbiose aus einer philosophischen Überlegung und der konkreten Darstellung des Innenlebens seiner Charaktere.

Stefan Feinig zeigt Konsequenzen des Konsums auf

MADE IN CHINA zeigt uns nicht nur die Schrecken der unmenschlichen Arbeitsbedingungen, sondern auch die Zerbrechlichkeit der menschlichen Natur und die moralische Verantwortung, die wir als Gesellschaft eigentlich tragen sollten. Es ist eine verstörende und eindringliche Erzählung, die uns dazu bringt, über die Konsequenzen unseres Konsums und die Menschlichkeit hinter den Produkten, die wir so selbstverständlich nutzen, nachzudenken.

Die intensive Darstellung am Anfang des Buches von Han’s innerem Konflikt und seiner Auseinandersetzung mit seinem eigenen Schicksal sowie dem Schicksal von Wu ist beeindruckend. Die Verbindung zwischen Han’s Kindheitserinnerungen an das Schlachten eines Schweins und seiner gegenwärtigen Situation verstärkt die emotionale Tiefe und verdeutlicht die moralische Komplexität der Welt, in der sich die Vergessene bewegen müssen.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Burghart Häfele (@haefeleburgh)

Der Autor gibt uns ebenso zahlreiche Metaphern, die sich durch eine intensive lyrische Darstellung ins Bewusstsein einbrennen. Zum Beispiel eine Mücke und ein Dolch als Instrumente des Schicksals. Zusätzlich unterstrichen durch die Vorstellung von Han als bloßes Instrument für einen kollektiv beschlossenen Willen. Seine Versuche, sich selbst zu überzeugen und zu rechtfertigen, werden durch die wiederholte Betonung von Schicksal und Erlösung verstärkt. MADE IN CHINA schafft eine düstere Atmosphäre, die dem Thema absolut gerecht wird. Denn es geht um nichts Geringeres als Leben und Tod.

Lyrische Provokation, die zum Nachdenken einlädt

Insgesamt ist die Erzählung in MADE IN CHINA fesselnd und provokativ, dabei werden die Lesenden dazu aufgefordert, über Fragen von Schuld, Erlösung und das Wesen der modernen Konsumgesellschaft nachzudenken. Das ideale Buch, um sich nach einer ausgiebigen Shoppingtour zu fragen, was man da eigentlich tut? Oder was eigentlich Silikose ist?

Als Han nach der grausamen Einstiegsszene einen kleinen schwarzen Klumpen ausspuckt, schließt sich der Kreis. Sowie in einem unendlichen Produktionskreislauf hat ein neuer Arbeiter den alten ersetzt. Mit all seinen Ängsten, all seiner Verzweiflung und dem unendlichen Leid, ausgelöst durch Konsumgier, und eine Gesellschaft, die Menschen für Produkte verheizt.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Stefan Feinig (@stefanfeinig)

Stefan Feinig wurde in Klagenfurt/Celovec geboren. Mit MADE IN CHINA setzt er seinen Output als Autor nun erfolgreich fort. Dabei zeichnen sich all seine Werke geradezu konsequent durch einen philosophischen Zugang aus, der oftmals still hinter den Worten schimmert. Sein Schreiben stellt eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit menschlichen Themen dar, in denen sich eine komplexe Realität widerspiegelt. Mit einem breiten Spektrum von Werken hat er sich mittlerweile als bedeutende Stimme in der Literaturszene etabliert.


Titelbild © Rio Lecatompessy via Unsplash (Zugriff 07.03.2024)